Warum „Dinner for One“ seit 60 Jahren unser Silvester prägt – und was dahintersteckt

Admin User
3 Min.
Ein Tisch mit Tasse, Untertasse, Teekanne, Teller, Löffel, Brownie, Glas, Wein, Kerze und weiteren Speisen.

Warum „Dinner for One“ seit 60 Jahren unser Silvester prägt – und was dahintersteckt

Jedes Silvester schalten Millionen in den deutschsprachigen Ländern ein, um Dinner for One zu sehen – eine kurze, doch ikonische Komödie. Die Aufnahme von 1963 zeigt die britischen Schauspieler Freddie Frinton und May Warden als Butler James und Miss Sophie, eine betagte Aristokratin, die zu ihrem Geburtstag ein opulentes Dinner für sich selbst und ihre längst verstorbenen Freunde ausrichtet. Was einst als einfache Komödie begann, ist längst ein kulturelles Phänomen geworden – eine Mischung aus Humor und scharfsinnigen Beobachtungen über Einsamkeit und gesellschaftliche Rituale.

Die Handlung spielt in einem verblassten englischen Salon, der den Niedergang der britischen Oberschicht symbolisiert. Die 90-jährige Miss Sophie besteht darauf, ihren Geburtstag mit einem mehrgängigen Menü zu feiern, zu jedem Gang gehört ein bestimmtes Getränk. Ihre vier 'liebsten' Freunde – allesamt verstorben – werden von Butler James verkörpert, der zwischen den Stühlen hin- und herwechselt und für jeden imaginären Gast eine andere Stimme und Persönlichkeit annimmt.

Das Dinner folgt strengen kolonialzeitlichen Benimmregeln, vom Silberbesteck bis zum Tigerfell unter den Füßen. Dieses, das James’ zunehmend betrunkene Stolperer auffängt, verweist zugleich auf imperiale Jagdtraditionen und die Gewalt, die sich hinter glatten Fassaden verbirgt. Mit fortschreitendem Abend löst James’ Trunkenheit die steife Förmlichkeit langsam auf – doch das Ritual selbst bleibt ungebrochen. Sein immer wiederkehrender Trinkspruch 'Same procedure as every year' wird zur Pointe und zugleich zu einer melancholischen Reflexion über die Leere der Gewohnheit.

Ursprünglich auf Englisch aufgeführt, entdeckte der deutsche Sender NDR die Sketch-Comedy, nachdem Regisseur Peter Frankenfeld in Großbritannien darauf gestoßen war. Die Mischung aus Slapstick und Wehmut traf einen Nerv und machte Dinner for One zur Silvestertradition. Der Kontrast zwischen Miss Sophies Einsamkeit und der akribischen Inszenierung ihres Solo-Dinners zeigt, wie Rituale Würde verleihen können – selbst wenn die Welt um sie herum zerfällt.

In nur 18 Minuten vereint die Aufführung Themen wie Klasse, Isolation und die Absurdität des Festhaltens an Traditionen. Doch ihr anhaltender Erfolg liegt im Ausgleich: düster genug, um zum Nachdenken anzuregen, leicht genug, um zu unterhalten.

Seit sechs Jahrzehnten wird Dinner for One jährlich ausgestrahlt – die Wiederholung spiegelt genau die Rituale wider, die der Sketch auf die Schippe nimmt. Die Mischung aus Humor und Melancholie berührt bis heute und bietet einen Moment der Besinnung zwischen den Silvesterfeiern. Sein Vermächtnis lebt nicht nur als Komödie weiter, sondern als kultureller Bezugspunkt, der die Rollen hinterfragt, die wir spielen – und die Leere, die wir manchmal dahinter verbergen.

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